Agiles Projektmanagement, Scrum, agile Produktentwicklung oder agiles Innovationsmanagement scheitern regelmäßig an den unterschiedlichsten Herausforderungen. Es klingt doch alles so einfach: Selbstorganisierte Teams, flache bis keine Hierarchien, dasselbe schaffen in der Hälfte der Zeit, uneingeschränkte Kollaboration. Dennoch stoßen die agilen Vorhaben in der Realität an einige Grenzen, die sowohl Performance-Druck, als auch Frustrationen auslösen. Warum ist das so?
Im Folgenden möchte ich die wichtigsten Überlegungen und Fragen teilen, die in der Einführungsphase von agilen Strukturen oft vergessen oder unterschätzt werden. Die folgenden Themen sind für alle Teams, Projektmanager*innen, Unternehmen und Führungskräfte, die eine agile Transformationen planen ein Muss!
1) Ziel
Es lohnt sich vor dem Start eines Projekts diese Fragen zu klären und nicht nur das inhaltliche Ziel abzustecken, sondern auch die Anforderungen an die agile Arbeitsweise festzulegen. Keine zu hohen Erwartungen. Agilität wird nicht alle Probleme lösen können.
2) Zeit
Bei dem Thema Projektdauer wird oft vergessen, dass die Einführung von agilen Arbeitsweisen und Prozessen einfach seine Zeit braucht. Und nicht von Tag 1 an das Team ein High-Performance-Team seind wird. Vor allem, wenn es vorher noch nie agil zusammengearbeitet hat. Es braucht eine Warmlaufphase, um sich an die neue Form der Zusammenarbeit zu gewöhnen. In dieser Phase sollten keine geistigen Höhenflüge oder große Produktivitätssprünge erwartet werden. Performance-Druck ist kontraproduktiv und führt nur dazu, dass das Team in alte Arbeitsmuster zurückfällt. Daher bei unerfahrenen Teams lieber 10-20% mehr Zeit einplanen, damit das Team sich einspielen und die neuen agilen Arbeitsweisen verinnerlichen kann.
3) Kompetenzen & Teamkonstellation
Nicht alle Mitarbeitenden eignen sich für agile Arbeitsprozesse. Es gibt einfach Mitarbeitende, die haben zwar eine sehr hohe fachliche Kompetenz, eignen sich aber nicht für agiles Arbeiten. Und das ist auch völlig okay. Das nicht zu akzeptieren, kann zu einigen Komplikationen, Frustrationen und Zeitverzögerungen führen. Für die agile Teamarbeit ist es wichtig eine hohe soziale Kompetenz zu haben, Fehler zuzulassen und offen zu sein für Experimente, ein Mindestmaß an Eigenverantwortlichkeit und Spaß daran sowohl sich fachlich weiterzuentwickeln, als auch Arbeitsprozesse aktiv mitzugestalten. Es ist möglich Mitarbeitende dahin zu entwickeln aber auch das braucht Zeit und sollte unbedingt eingeplant werden, es wird nicht „On the go“ passieren.
4) Das wird kein Spaß – Erwartungshaltung
Agilität wird oft unbewusst mit den Eigenschaften digital, unkompliziert, schnell, dynamisch, modern, flexibel, innovativ und reibungslos assoziiert. Diese Eigenschaften zeichnen allerdings ein falsches Bild und schüren Erwartungen, die dann nicht erfüllt werden können. Denn agile Arbeitsweisen können auch mal unangenehm sein, beinhalten Rückschläge, Neuanpassungen und stehen für radikale Reflexion und stete Überprüfung des Status quo. Das macht nicht immer nur Spaß. Hier können Teams an ihre Grenzen kommen. Deshalb ist es sehr wichtig agilen Teams Freiraum für Experimente und Iteration zu geben, anstatt bei der kleinsten Irritation doch wieder alte Strukturen einzuführen. Hochs und Tiefs gehören dazu! Agiles Arbeiten heißt Vertrauen gegen Kontrolle zu tauschen. Das funktioniert nur durch Erfahrung. Also muss im Unternehmen die Möglichkeit gegeben sein, Erfahrungen zu machen und daraus zu lernen. Traut euch!
5) Prozess & Inhalt – Beides auf einmal?
Wir arbeiten jetzt agil! Aber was bedeutet das? Jedes Team und Unternehmen hat da unterschiedliche Vorstellungen. Damit die agile Transformation nicht schief geht, ist es sehr wichtig zu verstehen, dass eine agile Transformation zwei Ebenen hat: (1) die neuen Arbeitsweisen und Strukturen und (2) die inhaltliche Arbeit. Beide Ebenen beeinflussen einander. So eignet sich nicht jedes Vorhaben für Scrum und Design Thinking ist nicht dafür gedacht vorgeplante Ergebnisse zu produzieren. Die Auswahl der geeigneten Prozesse und Methoden sollte gut überlegt sein und auch ein Bewusstsein dafür bestehen, dass nicht Output und Prozessgestaltung gleichzeitig optimiert werden können. Oft fehlt auch das Know-How für agile Methoden und Prozessgestaltung. Nur weil plötzlich agil gearbeitet wird, heißt das noch lange nicht, dass plötzlich alle Beteiligten einen agilen Methodenkoffer zur Hand haben. Das braucht Zeit! Lieber Schritt für Schritt vorangehen und sich externe Hilfe holen. Agile Arbeitsstrukturen funktionieren nicht nach Lehrbuch. Besser ist es der Einführung Zeit zu widmen und sich Unterstützung holen anstatt nach kurzer Zeit die Transformation aus Ungeduld und Performance-Druck wieder rückgängig zu machen. Die gewünschten Optimierungen werden sich ganz sicher einstellen aber es braucht Zeit! Und wenn man die Geduld hat, wird jedes Team und Unternehmen die Vorzüge des agilen Arbeitens erleben und für sich nutzen können.
Das Fazit ist: Agiles Arbeiten ist nicht so einfach, wie es in Büchern oder Berichten klingt. Diese Auflistung hilft dabei ein agiles Projekt oder einen agilen Transformationsprozess zu planen und einzuführen. Oft sind die Verantwortlichen für eine Einführung und Umsetzung von agilen Prozessen keine Methodenspezialisten, sondern Fachkräfte für bestimmte Spezialgebiete oder Fachabteilungen. Um Frustrationen, Rückschläge, Methodenchaos und Produktivitätseinbrüche zu reduzieren, ist die einfachste Lösung einen agilen Coach oder Trainer hinzuziehen, der/die den ganzen Prozess begleitet. So können sich alle auf ihr Fachgebiet konzentrieren und die agile Transformation wird sicher kein unbefriedigendes Chaos.